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Wer im Glashaus ZAPPt (die Vierte)

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© www.espritdescalier.de - Stefan Fix, 2007Ähnlich, wie ein schlechter Witz durch Wiederholung nicht besser wird, gewinnt eine dürftig fundierte Behauptung nicht an Glaubwürdigkeit, wenn man sie einfach erneut aufstellt, ohne sie mit wenigstens einem relevanten neuen Fakt zu untermauern. Es wirft ein schlechtes Licht auf Denjenigen, der diese Behauptung dennoch wieder aufstellt, liegt der Verdacht doch nahe, dass es ihm an guten Argumenten mangelt. Zu den umtriebigen Enthüllungsjournalisten vom Medienmagazin „Zapp“ des NDR scheinen diese kleinen Wahrheiten aus Kindertagen jedoch offenbar nicht durchgedrungen zu sein.

In der vergangenen Woche nämlich sendete man unter Ägide des „Königs der Recherche“1, auch bekannt unter seinem bürgerlichen Namen „Kuno Haberbusch“, einen ziemlich alten Zopf. Anlass dafür war die bevorstehende 58. Berlinale, auf welcher der Film „Feuerherz“ (Regie: Luigi Falorni) am 14. Februar Premiere haben wird. Da dieser an gleichnamiges Buch von Senait Mehari angelehnt ist, läuteten bei Zapp sämtliche Alarmglocken, schien dies im pawlowschen Sinn doch ein gefundenes Fressen, bei dem in gesteigertem Maß die Protestsekrete produziert wurden. Schließlich hat Zapp, seiner eigenen – gewohnt unbescheidenen – Auffassung zufolge, vor fast genau einem Jahr „enthüllt“, dass in Meharis Buch alles Lüge sei. Nun also die Verfilmung einer „Lüge“2 – da erklimmt man bei Zapp doch sofort mit Kampfgeheul die Barrikaden, um diese Gefahr für die Gesellschaft abzuwenden, für die man Meharis Buch zu halten scheint. Man misst ihrem Buch so viel Bedeutung bei, als hätte Mehari damit die Grundfesten der Gesellschaft ins Wanken gebracht. Die Menschen müssen endlich die Wahrheit erfahren, und diese eine Wahrheit hat Zapp und verbreitet sie mit missionarischem Eifer. Es könnte sonst morgen für alle zu spät sein. Es könnte jemand den Film sehen und sich eine eigene Meinung bilden, ohne von Zapp aufgeklärt bzw. indoktriniert worden zu sein. Welch Gefahr!

Es ist wirklich müßig, an dieser Stelle noch einmal en détail zu zeigen, wie einseitig Zapp damals augenscheinlich recherchierte und argumentierte. Es sei deshalb auf mehrere Artikel auf dieser Website verwiesen, die sich ausführlich mit dieser Einseitigkeit und auch mit der Doppelmoral von Zapp befassen3.

Zusammenfassend soll jedoch festgehalten werden, dass man bei Zapp offenbar alles andere als ergebnisoffen recherchierte, dass Zapps Argumente genauso gut oder schlecht sind, wie die von Mehari und dass Zapp eben nicht im Sinne des „audiatur et altera pars“ berichtete, wie es seine Aufgabe als von der Öffentlichkeit finanziertes Magazin ist. Zapp erfüllt somit seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag unzureichend, der auch dahingehend lautet, umfassend und ausgewogen zu informieren. Da hilft es wenig, wenn Zapp, offenbar irgendeiner Direktive der Intendanten des öffenlich-rechtlichen Fernsehens entsprechend, sich plötzlich immer bei den verehrten Zuschauern für die entrichteten Gebühren bedankt, ohne welche die unübertroffenen und bahnbrechenden Recherchen von Zapp gar nicht möglich wären.

Zapp zieht es vor, sich zum Sprachrohr einer Seite zu machen und machen zu lassen. Da es nun einmal ein Wesensmerkmal von Kampagnen ist, aus wiederholter Einseitigkeit bis hin zu Verleumdung zu bestehen, würde es nicht verwundern, wenn Zapp der Vorwurf gemacht würde, dass es eine Kampagne gegen Senait Mehari führe, also eine Art Kampagnenjournalismus zu betreibe, der eigentlich eher der ach so verpönten Bild gut zu Gesicht stünde. Anders als bei Zapp soll es hier gar nicht primär darum gehen, wer recht hat, sondern darum, dass man bei Zapp nicht beide Seiten gleichermaßen zu Wort kommen lässt.

Natürlich hat Zapp Mehari zu Wort kommen lassen, dann aber scheinbar genüsslich ihre an dieser Stelle holprigen Sätze gesendet, die man z.T. auch noch für sie beendete. Genauso, wie man besonders gerne Aussagen von Menschen zu senden scheint, die man überrumpelt und die daher alles andere als eine gute Figur machen, wie in vergangener Woche am Beispiel von Claudia Gladziejewski vom Bayrischen Rundfunk geschehen4. Man muss die Leute nur schön dämlich wirken lassen, dann glaubt ihnen keiner mehr. Ist dies das Kalkül von Zapp? Es ist eigentlich weniger peinlich, wie sich von Zapp überrumpelte5 Personen blamieren, als vielmehr, wie Zapp den Zuschauer nachgerade einzuladen scheint, sich an der Blamage auch noch zu weiden, zusammen mit den Zapp-Mitarbeitern, die sich womöglich diebisch über ihren „Coup“ freuen.

Viel schwerer aber wiegt, dass Zapp scheinbar versucht, die Verunsicherung seiner Interviewpartner zur Stützung der eigenen Thesen zu benutzen.6 Wenn die Sendung extra3 die blondbezopfte Olivia Jones – u.a. bekannt für ihre scharfsinnigen Kolumnen im Starmagazin „in“ – im Trachtenminirock mit NPD-Mitgliedern auf ihrem Parteitag konfrontiert und überrumpelt, entlarvt dies nicht nur die NPD, sondern ist auch einigermaßen unterhaltsam und vor allem dem Format angemessen. Wäre Zapp eine Satiresendung, könnte es auch seine Reporter auf diese Weise arbeiten lassen. Doch Zapp versteht sich ja als seriöses Medienmagazin. Als solches sollte es sich derartiger Methoden enthalten, um nicht an Glaubwürdigkeit einzubüßen und sich als ernstzunehmende Sendung nicht zu disqualifizieren. Insofern sollte Kuno Haberbusch als Chefredakteur sowohl von Zapp als auch von extra3 nicht beide Formate vermischen. Das ist ja auch in keiner Weise nötig, da er sich doch in beiden ausleben kann.

Anstatt also Fakten zu liefern, die man bei Mehari ja immer anmahnt, gibt man Interviewpartner einer herbeigeführten (?) Lächerlichkeit preis. Wie Zapp ja gerne aus zuverlässigen Quelle zitiert, die jedoch unbenannt bleiben, darf auch an dieser Stelle aus einer solchen zuverlässigen Quelle berichtet werden, dass Zapp mit Vorliebe allgemeine, informative Interviews anmelde, um dann stattdessen auf einmal abenteuerliche Vorwürfe zu erheben und damit die Gesprächspartner so perplex zu machen, dass sie zunächst gar nicht wüssten, wie ihnen geschehe, geschweige denn, wie sie darauf reagieren sollten. Die peinlichsten Ausschnitte schneide man zusammen und sende sie als Beweis für die eigenen Thesen. Nachdem Zapp sich zuvor ja die Genehmigung für das Interview hat geben lassen, darf dann auch gesendet werden, was dabei so gesagt wird, wie auch immer gewisse Aussagen oder Unsicherheiten zustande gekommen sind, da ist man wohl skrupellos. Das klingt nicht nach seriösem Journalismus.

Um nun einem Aufschrei der großen Liebhaber der – in der Tat schützenswerten – Pressefreiheit in der Zapp-Redaktion vorzubeugen: niemand erwartet natürlich, dass Zapp etwa Fragen einschicken muss, die dann abgesegnet oder gestrichen werden. Es geht darum, dass Zapp offenbar vorgebe, lediglich eine Meinung einholen zu wollen aber eigentlich plane, den Interviewpartner massiv irgendeines Vergehens zu beschuldigen und somit zu überrumpeln. Böse Zungen könnten dies als Kolportage bezeichnen. Dabei handelt es sich mitnichten um die vornehmste Art des Journalismus, falls man Kolportage klaren Verstandes überhaupt dem Journalismus zurechnen kann bzw. darf. Man verbreitet also Gerüchte und konfrontiert Beschuldigte damit, um deren (hoffentlich für sie selbst unvorteilhafte) Reaktion als Beweis für das Gerücht zu verwenden. So absurd nimmt sich eine Beweiskette von Journalisten aus, denen es an echten Fakten mangelt und die aus ihrem einseitigen Gerechtigkeitsgefühl heraus journalistische Standards über Bord werfen. Jemanden lächerlich zu machen, ist jedoch kein Argument, sondern die zweifelhafte Methode derjenigen, die nichts Beweiskräftiges in der Hand haben.

Gleichzeitig nimmt sich Zapp der ja absurderweise von ihm „vertretenen“ Partei7 mit größter Einfühlsamkeit und einem hohen Maß an Verständnis an. Die von Zapp vertretene Partei macht immer einen sehr entspannten und gefassten Eindruck in ihrem Frankfurter Vereinsraum (?), zu Hause im Sessel oder, wie im Fall von Almaz Yohannes, vor der Kulisse eines malerischen Abendhimmels mit düster rührseliger Hintergrundmusik. Den Fürsprechern von Mehari gönnt man die schmeichelnden dramaturgischen Mittel nicht, weder Musik noch Deko. Der aufgebotene „Zeitzeuge“ Elias Ghere Benifer wirkt irritierend süffisant und amüsiert, gar nicht als wäre er empört oder entrüstet über Meharis „Lügen“. Das ist sicherlich die reine Ironie, die ihn dazu veranlasst. Was sonst kann jemanden zu Süffisanz veranlassen? Benifer ist übrigens ein ehemaliger ELF-Kader, also ein verantwortliches Mitglied einer marxistischen Kampforganisation in Kriegszeiten. Das bedeutet keineswegs, dass er sich etwas hat zuschulden kommen lassen, ganz und gar nicht. Es ist nur interessant, dass Julia Salden in ihrem Beitrag bei der Präsentation des Zeugen Benifer dies mit keinem Wort erwähnte8 – ein Insert hätte keine Zeit gekostet, aber möglicherweise passte dieses Detail nicht so gut in die Argumentation? Dass Benifer Kader war, liest man dann im Tagesspiegel bei Saldens Kollegen.

Nach dem Sieg der gegnerischen EPLF ist offenbar ein Großteil der ELF-Elite nach Europa, u.a. eben auch nach Deutschland emigriert, wohl um dort auf den Sturz der diktatorischen EPLF-Regierung zu warten bzw. ihn zu organisieren – das sei dahingestellt. Jedenfalls scheint in Deutschland eine beachtliche ELF-Exilgemeinschaft zu leben, zu der Mehari offenbar nie gehörte. Vielleicht hatte sie einfach keine guten Erinnerungen an die ELF. Jedenfalls ließe sich das Verhältnis der Aussage einer großen Gruppe gegen die Einzelperson Mehari auch leicht so deuten, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt und Mehari die ELF-Nestbeschmutzerin ist. Es muss keineswegs heißen, wie Zapp beständig zu insinuieren scheint, dass es ja schon seltsam sei, dass Mehari keine Zeugen für ihre Version finde und man wohl eher der Seite glaubt, die viele Fürsprecher hat. Absurd! Man fragt sich ja auch, warum Mehari geflüchtet und nach Deutschland emigriert ist, doch wohl eher nicht, weil ihr der Lehrplan der Lagerschule missfiel. Warum ELF-Kader spätestens 1991 die Flucht ergriffen, scheint klar, hat doch die EPLF die Macht errungen. Aber Hunger, Soldaten, Tote waren ja in der Lagerschule ein Fremdwort, wie man dank der „Zeitzeugen“ weiß. Was aber hat Mehari bzw. ihre Verwandten dann dazu bewogen, ins Ausland zu fliehen? Krieg war es ja offenbar auch nicht, habe Elias Benifer doch vorgerechnet, dass in dem von ihm mitbegründeten und geleiteten Lager das Leben sehr „behütet“ gewesen sei. Nur sieben Kinder hätten während der Existenz des Lagers ihr Leben verloren, drei davon bei Flugzeugbombardements, die anderen durch Krankheit, Hitzschlag, durch einen Autounfall und durch Ertrinken.9

Liegt man eigentlich völlig daneben, wenn man vermutet, dass eine Vielzahl von Menschen eine geringfügig abweichende Meinung von einem behüteten Leben hat? Ist dies vielleicht ein kleiner Hinweis darauf, dass Begrifflichkeiten in dieser Diskussion auf den verschiedenen Seiten möglicherweise insgesamt völlig unterschiedliche Gewichtungen haben? Was die einen als gar nicht so schlimm darstellen, empfinden andere vielleicht längst als unzumutbar.10 Kommunistische Regime und Gruppierungen haben ja immer eine besondere Affinität zum Militär und insbesondere auch zu paramilitärischen Übungen. Man erinnere sich nur an den Wehrunterricht in der DDR, wo bereits Schüler der neunten Klassen (!) – Mädchen wie Jungen – mit Uniform und Waffe zu Wehrübungen gezwungen wurden. Unhaltbar aus heutiger Sicht. Fast schon Kindersoldaten, könnte man meinen. Aber damals verantwortliche alte Genossen oder sonstige Liebhaber und Advokaten der DDR würden heute wahrscheinlich behaupten, dass dies eben zur Aufrechterhaltung der Wehrbereitschaft, angesichtes des lauernden Imperialismus nötig war, vielleicht nicht schön, aber nötig. Keiner würde doch behaupten, in der DDR habe es Kindersoldaten gegeben. Doch das Einzige, was dazu fehlte, war der Krieg. Die SED-Genossen haben den einige Jahrzehnte zuvor eingesetzten Volkssturm offenbar gut studiert. In Eritrea aber fehlte der Krieg nicht. Die Bilder, die von Zapp gezeigt werden, lassen sehr wohl uniforme Kleidung erkennen. Es ist alles nicht ganz so absurd, wie manche glauben machen wollen.

Elias Benifer habe übrigens im Rahmen einer kürzlich in einem Berliner Café eröffneten Fotoausstellung, mit der die Zeitzeugen ihre Version zu beweisen hoffen, geäußert, dass die Wahrheit keinen Ghostwriter brauche.11 So weit die Debatte vom Autor nachvollzogen wurde, hat auch niemand je die Behauptung aufgestellt, dass die Wahrheit einen Ghostwriter benötige. Genauso lässt sich im Umkehrschluss aber auch feststellen, dass niemand, der seine Geschichte von einem Ghostwriter schreiben lässt, automatisch lügt. Ebensowenig sagt derjenige, der sich ohne Ghostwriter äußert, deshalb nicht unbedingt die Wahrheit. Der Erkenntnisgewinn der Ursprungsaussage wie auch der Abwandlungen scheint jedoch insgesamt recht gering. Genausogut könnte man feststellen, dass die Wahrheit kein chlor- und säurefreies Papier benötige. Was also will Herr Benifer mit der Aussage insinuieren? Viel eher ist es wohl der Fall, dass Autoren mit Ghostwriter sich einfach eingestehen, dass ihr Ausdrucksvermögen womöglich nicht für ein Buch ausreicht und sie dennoch der Meinung sind, dass ihre Geschichte gehört werden sollte. Auch ist vorstellbar, dass eine Person vom Thema, über das sie schreiben will, emotional zu belastet ist und deshalb Hilfe benötigt. An und für sich ist dies überhaupt nichts Verwerfliches, im Gegenteil, etwas Aufrichtiges.

Ein weiteres interessantes Detail in Bezug auf den Charakter des Lagers liefert der Name der Gruppe, in der Mehari gewesen sei. Dieser laute ausgerechnet „Che Guevara“12. Das wurde bislang eigentlich immer nur am Rande erwähnt. Doch genauso, wie Sprache einiges über denjenigen verrät, der sich ihrer bedient, sagen auch Namen durchaus etwas über die Einstellung der Eltern des Kindes aus. So ist Che Guevara ja als alles andere denn als Pazifist in die Geschichte eingegangen. Vielmehr gilt er als Mitbegründer des modernen Guerillakampfes. Wer also eine Kindergruppe nach ihm benennt, darf sich nicht wundern, wenn manche Menschen sich erlauben, gewisse Zweifel daran nicht recht unterdrücken zu können, ob es sich wirklich nur um eine von Pazifisten geleitete Schule handelte, in der die Kinder nur ihre Köpfe über Bücher beugten. Ist es denn völlig abwegig, zu vermuten, dass die Namensgeber der Gruppe eher Sympathie als Antipathie für Che Guevara und seine Methoden hegten? Natürlich wird deshalb in keiner Weise behauptet, dass es sich um ein Lager handelte, in dem Kindersoldaten gedrillt wurden. Es wird lediglich darauf hingewiesen, dass gewisse Details nicht ganz dazu geeignet scheinen, den astreinen pazifistischen Charakter dieses Lagers plausibel erscheinen zu lassen.

Auch Eyob Araya amüsiert sich augenscheinlich köstlich. Er thront in einem Lederfauteuil. Rechts neben ihm befindet sich ein edel wirkender Lampenschirm, der mit dem gedimmten Licht, das er abstrahlt, für eine heimelig gediegene Atmosphäre sorgt, abgerundet von einer Schale mit Früchten, die auf einem Beistelltisch platziert ist. Das macht schon fast einen (exil-)präsidialen Eindruck und verleiht der ganzen Situation daher eine geradezu staatsmännische Autorität. Es sind auch solche scheinbar kleinen dramaturgischen Kniffe, die bei Zuschauern einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Mehari wird hingegen entweder gezeigt, wie sie holprige Sätze spricht oder im Mantel auf der Straße laufend, sodass man meinen könnte, sie sei auf der Flucht. Solche Details, ob bewusst oder unbewusst eingesetzt, scheinen Zapp als parteiisch oder zumindest tendenziös zu entlarven. Es würde nicht wunder nehmen, wenn Zapp vor den Gesprächen auch noch zum Tee geladen hätte, um mit der von ihm vertretenen Partei noch einmal in aller Ruhe die Argumente gegen Mehari durchzugehen.

Was nun Araya so lustig findet, ist die Tatsache, dass Mehari Löwen gesehen haben will, er diese jedoch nur aus dem Zoo kenne. Hierbei handelt es sich um das von Zapp verwendete Todschlagargument aus Expertenmund13, demzufolge es keine Löwen in Eritrea gebe. – Das Verbreitungsgebiet des Löwen erstreckt sich übrigens über einen Großteil Äthiopiens reicht bis nahe an die eritreische Grenze. Es sollte nicht verwundern, dass sich der eine oder andere Löwe nicht an politische Grenzen hält und diese ohne Kontrolle überschreitet – Grenzen zumal, die es zum in Rede stehenden Zeitpunkt noch gar nicht gab. Es ist also nicht völlig abwegig, dass sich Löwen in Eritrea aufhalten. – Und weil es keine Löwen in Eritrea gebe, könne Mehari keine Kindersoldatin gewesen sein. Es soll hier auch nicht um die absurde Wortklauberei gehen, bei der Zapp sich und das zahlende Fernsehpublikum damit aufhält, auseinanderzusetzen, dass Mehari Hyänen mit Kojoten verwechselte14. Ein Vorwurf, den man eher dem Ghostwriter bzw. den Lektoren als einem damals sechsjährigen Mädchen machen kann, das sich in einer anderen Sprache zurückerinnert als ihrer Muttersprache, die sie zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit auch noch nicht in Gänze beherrschte, geschweige denn das gesamte Vokabular der Fauna Eritreas.

Immerhin merkt Zapp ja noch selbst, dass es sich bei diesen Dingen um „Nebensächlichkeiten“ handelt. Aber Zapp wäre wohl nicht Zapp, wenn es nicht noch nicht im Nachsatz hinzuzufügen würde, dass sie dennoch entlarvend seien – dass man also eben doch recht habe. Angesichts des Irrtums mit den Löwen könnte Zapp nun aber genauso gut in toto in Zweifel ziehen, dass Mehari überhaupt je in Eritrea war, denn schon allein deshalb müsste sie ja auch wissen, dass es dort keine Löwen gebe. Da ihre eritreische Herkunft aber selbst von Zapp nicht in Zweifel gezogen wird, aufgrund ihrer Behauptung, sie sei dort Löwen begegnet, taugt dies genauso wenig als Beweis dafür, dass sie keine Kindersoldatin gewesen sei. An dieser Stelle sind nun die Logiker in der Zapp-Redaktion gefragt.

Es wäre im Übrigen an Zapp, Mehari zu beweisen, dass sie lüge und nicht an Mehari zu beweisen, dass sie die Wahrheit sage. Zapp bleibt der Öffentlichkeit wahre Fakten aber nach wie vor schuldig, bemängelt jedoch Gleiches bei Mehari. Doch, wie bereits andernorts notiert, die Wahrheit liegt womöglich irgendwo in der Mitte – auch so eine Weisheit, deren Kenntnis man bei halbwegs gebildeten Menschen voraussetzt und bei der man meint, dass sie zumindest theoretisch akzeptiert wird, insbesondere von Unbeteiligten wie Zapp. Das gilt natürlich nur, wenn man sich nicht zu Parteinahme entschließt, wie es bei Zapp der Fall zu sein scheint. Von beteiligten bzw. betroffenen Parteien, und seien diese noch so sehr von Intelligenz gesegnet, kann man dies offenbar nicht verlangen. Ein Blick in den Nahen Osten und in die Geschichte überhaupt zeigt, dass Neutralität in der Beurteilung von Konflikten bei daran Beteiligten offenbar eine übermenschliche Eigenschaft ist. Doch Zapp-Mitarbeiter sind wohl eher nicht vom Bürgerkrieg der Jahre 1960-1991 in Eritrea betroffen und überdies der Objektivität verpflichtete Journalisten. Wäre ein Mitarbeiter betroffen, wäre er eigentlich befangen und für eine Berichterstattung ungeeignet. Diese Prämisse aber, dass die Wahrheit in der Mitte liegt, ist wohl im, womöglich von Grautönen freien, manichäistischen Weltbild der Zapp-Redaktion, nicht anwendbar oder nicht einmal vorhanden. Man scheint es förmlich auszukosten, dass Mehari auf ihrer Homepage schon so lange um Zeitzeugen werbe, die ihre Version bestätigten, sich aber bisher niemand gemeldet habe. Ein weiterer vermeintlicher Beweis übrigens in Zapps sprödem „Argumentationsstrang“ dafür, dass Mehari lüge.

Nun gut. Zurück zur eingangs erwähnten Zapp-Sendung der letzten Woche und dem alten Zopf. Diesmal wurden 10:19 Minuten öffentlich-rechtliche Sendezeit und damit ein reichliches Drittel der gesamten Sendung in Anspruch genommen, um – ja, um was eigentlich? Letztlich nur, um die Geduld der wenigen Zuschauer mit Aufgewärmtem des letzten Jahres auf die Probe zu stellen. Ausgestrahlt wurden eigentlich hauptsächlich Versatzstücke der beiden „Enthüllungssendungen“ aus dem vergangenem Jahr. Gestreckt und aufgepeppt hat man die alte Suppe dann mit einer Prise Rechtswesen. Die einzig neue Entwicklung in dem Fall scheint es nämlich zu sein, dass die sich als falsch dargestellt fühlenden „Zeitzeugen“ die Rechtsanwältin Julia Grißmer mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt haben. Diese habe nun „im Auftrag der ehemaligen Mitschüler von Senait Mehari“ „Klage beim Hamburger Landgericht eingereicht“. Zum einen „gegen die Autorin auf Widerruf der unwahren Tatsachenbehauptungen“ und zum anderen „gegen den Verlag auf Unterlassung und auf Zahlung einer Geldentschädigung“. Man darf gespannt sein, wie das Gericht entscheiden wird. Jede Entscheidung, die der Wahrheit zu ihrem Recht verhilft, ist willkommen, sei es zugunsten oder zuungunsten von Mehari. Die Tatsache allein jedoch, dass jemand eine Rechtsanwältin mit der Vertretung seiner Interessen beauftragt, ist dankenswerterweise noch lange kein Beweis für die Wahrhaftigkeit von dessen Version. Das wäre ja auch zu schön. Zuweilen gilt ja auch Angriff als beste Verteidigung. Deshalb sollte auch Zapp vielleicht lieber diesen Prozess abwarten und seine permanenten Vorverurteilungen einfach unterlassen. Zapp hat seine Aufgabe als Medium mehr als erledigt, was auch immer man von der Art und Weise halten mag. Das Urteilen und Richten fällt dann aber nicht mehr in seinen Aufgabenbereich des Informierens, das überlasse man doch bitte den zuständigen Stellen des Rechtsstaats und zügele seine Hybris.

Hier sei vermerkt, dass es dem Autor dieses Artikels völlig einerlei ist, welche von beiden Parteien im Recht ist. Es geht hier in erster Linie um die als unprofessionell empfundene Arbeit von Zapp, das eben scheinbar nicht zu Neutralität imstande ist. Da Zapp-Mitarbeiter keine Anwälte sind, müssen sie sich nicht für eine Seite entscheiden. Da sie Journalisten sind, dürfen sie es solange nicht, bis Beweise erbracht sind. Da Beweise die angenehme Eigenart haben, im Regelfall von keiner Seite mehr widerlegt werden zu können, weil sie Fakten widerspiegeln, hat Zapp angesichts der Zweifel und Proteste einer Vielzahl von einer Mehrheit der Bevölkerung als seriös anerkannten Medien, Institutionen und Einzelpersonen offenbar noch nicht den unwiderlegbaren Beweis erbracht. Deshalb sollte man sich bei Zapp eben auch zurückhalten und sich einfach nur, seiner Bedeutung angemessen, als eine von vielen Stimmen empfinden, aus denen der mündige Bürger sich selbst seine Meinung bilden kann. Zapp aber erweckt zuweilen den Eindruck, sich als eine Art Überbringer der einzigen Wahrheit zu empfinden, was vollkommen lächerlich wäre.

Es ist auch möglich, dass eine Vielzahl von Klagen auf Unterlassung, Zahlung von Geldentschädigungen und was nicht noch alles denkbar ist, dass also weder Prozesse noch weitere Recherchen jemals den endgültigen Beweis erbringen können. Das ist sogar gut vorstellbar, weil es auch heute noch durchaus vorkommt, dass auch UN-Beobachter oder ähnliche Unabhängige nicht in jedem Krisengebiet beobachten, sodass Konfliktparteien unter sich bleiben und jede ihre Wahrheit für sich beansprucht, ohne dass Außenstehende jemals eine Art objektive Wahrheit ermitteln können. Das wäre vielleicht eine schwer verkraftbare Situation für Zapp, aber man wird sich damit abfinden müssen, auch wenn man womöglich eine Schwarz-Weiß-Lösung bevorzugt.

Zum weiter oben bereits angeschnittenen Thema „ergebnisoffene Recherche bei Zapp“ sei noch Folgendes in Bezug auf die Auswahl von Experten durch die Zapp-Redaktion erwähnt. Der von Zapp lange Zeit hofierte BILDblog-Gründer, Stefan Niggemeier, lässt sich, Zapps einstiger Bauchpinselei zum Trotz, offenbar nicht davon abhalten, es zu publizieren, wenn Zapp seiner Meinung nach publizistische Standards sehr flexibel zu seinen Gunsten interpretiert, um es zurückhaltend auszudrücken. In dem Artikel „Experten-Casting bei Zapp“ informiert Niggemeier, wie er lange Zeit von Zapp als Experte engagiert worden sei, so oft sogar, dass sich manch einer bereits darüber lustig gemacht habe. Eines Tages habe Zapp wieder einmal bei ihm in seiner Funktion als Experte angefragt und offenbar die suggestive Frage gestellt, ob er es nicht auch schlimm finde, dass die Fernsehshow „Extreme Activity“ des Senders „ProSieben“ mit Jürgen von der Lippe den Grimme-Preis erhalten solle. Abgesehen davon, dass Suggestivfragen an sich schon nicht der Inbegriff von Seriösität im Journalismus sind, kommt das eigentlich Empörende ja noch. Niggemeier habe sich nämlich erlaubt, die Meinung der Zapp-Redaktion nicht zu teilen, und erwidert, dass er dies nicht schlimm finde. Daraufhin sei er prompt als Zapp-Experte ausgeschieden. Dreist mutet an, dass die Zapp-Kollegin Niggemeier aber noch gefragt habe, ob er denn aber vielleicht jemanden wisse, der dagegen sei. Wenn das keine lupenreine Recherche ist. Niggemeier habe dann, wahrscheinlich aus Mitleid oder Perplexität, auf eine mit Zapps Meinung konform gehende Person verwiesen – auf die Intimkennerin des linientreuen DDR-Milieus, Jana Hensel. Niggemeier informiert weiter, dass er von einem Kollegen wisse, den Zapp ebenfalls aufgrund seiner sich ebenfalls nicht mit Zapp im Einklang befindlichen Meinung als Experten verworfen habe. Der gesendete Zapp-Beitrag, so Niggemeier, habe dann gezeigt, dass Zapp ihn und seinen Kollegen nicht etwa deshalb verworfen hatte, weil man bereits zu viele Fürsprecher gefunden hatte, sondern weil man offenbar keinen Fürsprecher im Beitrag haben wollte. Projiziert man diese Zapp-Praxis der Expertenrekrutierung nun auf den „Fall“ Mehari, gerät das Argumentationskartenhaus noch mehr ins Wanken. Niggemeier macht zwar deutlich, dass er dies nicht für einen Skandal halte, sagt aber gleichwohl, dass es sich hierbei um ein anschauliches Beispiel dafür handele, wie Journalisten arbeiteten – eben offenbar auch die Moralisten von Zapp mit dem immer auf andere gerichteten Zeigefinger. Das klingt doch sehr nach den Methoden derer, die sich ihre eigene Wahrheit zurechtbiegen. Monolineare Recherche wäre auch ein passender Ausdruck.

Nun war Frau Salden vom NDR ja nur eine Autorin des Zapp-Beitrags vom 14.02.2007 über den „fragwürdigen Medienstar“ Senait Mehari. Der Koautor heißt Peter Disch und ist Journalist für Popmusik. In dieser Funktion ist er wohl auch auf die Popsängerin Senait Mehari aufmerksam geworden. Die seiner Auffassung zufolge in Meharis Feuerherz publizierten „Unwahrheiten“ treiben ihn offensichtlich nach wie vor um. Er schreibt darüber in seinem Heimatblättle, der „Badischen Zeitung“, der „taz“ und wo man sonst noch Wert auf seine nicht gänzlich unparteiisch wirkende Meinung legt. Am 11. Januar dieses Jahres richtete er gar eigens zum Zweck der Aufklärung über seine (die) Wahrheit über Meharis „Feuerherz“ sein Watchblog „Feuerherzblog“ ein.

Damit begibt er sich auf ein höchst gefährliches Terrain. Schließlich haben zwei der Grand Seigneurs der deutschen Recherche-Szene, Hans Leyendecker und Thomas Leif nämlich, die Öffentlichkeit über das ihres Erachtens Problematische an diesen neumodischen Weblogs aufgeklärt, die da so mir nichts dir nichts wie Pilze aus dem Boden schießen. So setzte Thomas Leif die Leser von Spiegel-Online davon in Kenntnis, dass es sich bei Bloggern „oft um selbstverliebte Egozentriker“ handele, „die ihren Mitteilungsdrang befriedigen wollen“ und den „Hype“, der um sie herum entstehe, genössen.15 „Dem Großteil der Blogger“, weiß Leif, „geht es eben nicht ernsthaft darum, einen Sachverhalt aufzuklären oder einen Vorgang zu analysieren. Die meisten präsentieren nur einen privaten Tabledance.“ Nach dieser Hiobsbotschaft beruhigt Leif aber noch die Spiegel-Online-Gemeinde, indem er mithilfe blumiger Metaphern verrät, dass es aber auch „Mini-Inseln“ gebe, „in einem Ozean von Inhalten“, für die journalistische Inhalte nicht gälten. Auf die Frage nach solch einer „Mini-Insel“, die Leifs Placet bekomme, fällt diesem ganz spontan BILDblog ein.

Der Kollege Leyendecker sieht Blogs ähnlich kritisch. Blogger, so Leyendecker, seien zum Teil antidemokratisch, zynisch, verachtend, böse, gegen jedermann und „vorverachtend“16. Doch auch Leyendecker schert nicht alle Blogs über einen Kamm. Als rühmliche Ausnahme nennt er BILDblog. Um das Blog von Peter Disch muss man sich jedoch sicher keine Sorgen machen. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um ein „Reservat für Authentizität“17 und eine „Mini-Insel“. Um diesbezüglich keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, hat Disch auch in seinem Untertitel „Kritische Notizen über Senait Meharis ‚Feuerherz’“ bereits angedeutet, dass er sich wohl an dem Blogger-Primus BILDblog orientiert, denn dessen Untertitel lautet: „Kritische Notizen über eine große deutsche Boulevardzeitung“. Sein Impetus ist wohl auch identisch: Lügen aufzudecken. Was die Umsetzung angeht, bilde sich jeder sein eigenes Urteil.

Auf diesem Blog nun dokumentiert Disch nicht nur vornehmlich das ihm genehme Medienecho zum Thema, sondern veröffentlicht Termine zu Fotoausstellungen, Demonstrationen, Fernsehsendungen, Youtube-Videos einer singenden Zeugin u.Ä., die sich gegen Meharis zur Debatte stehendes Buch richten.

Kurzum – Disch konzertiert den Widerstand gegen Mehari. An Einseitigkeit scheint dabei kein Mangel zu herrschen, an Beweisen für die vertretene These dagegen schon. Entweder hat er schlagende Beweise, die er aber noch zurückhält, um die Premiere von „Feuerherz“ platzen zu lassen oder er ist womöglich von einem Mitleidsgefühl in seiner Objektivität beeinträchtigt. Vielleicht durchläuft Disch ja auch den gleichen Betroffenheitsapparat, wie die ach so unkritischen Kollegen Beckmann und Giovanni di Lorenzo, bloß von der anderen Seite?

Jüngst veröffentlichte Disch in seinem Blog Bilder der angeblich verleumdeten Almaz Yohannes. Kann dieses süße Mädchen jemandem etwas zuleide tun? – scheint die Frage zu sein, die mit der Publikation der drei Fotos mitschwingen soll. Nur leider, Herr Disch, gewinnen die Fotos nicht an Beweiskraft, wenn sie vom Zapp-Bildschirm auf Ihr Blog verlegt werden. Darüber sind Sie sich ja offensichtlich selbst latent im Klaren, wie man lesen kann, dennoch zeigen Sie die Bilder. Auf dem untersten Bild weisen uniform gekleideten Kinder eher auf paramilitärischen Charakter ihres Lebensumfeldes als auf irgendetwas anderes hin. Ein paramilitärischer Charakter übrigens, wie er von marxistischen Organisationen und Staaten auf dem gesamten Erdball hinlänglich bekannt ist, und die ELF war und ist nun einmal marxistisch ausgerichtet. Was soll uns das Foto also mitteilen? Damit argumentieren Sie doch eher gegen sich selbst, Herr Disch. Manche der auch von Zapp als eine Art Beweis herangezogenen Fotos zeigen im Übrigen eine Almaz Yohannes, die durchaus einen burschikosen Eindruck hinterlässt, was natürlich nicht heißen soll, dass dies in irgendeiner Weise gegen sie spricht. Doch das ist ja auch gar nicht der Punkt. Trotzdem werden immer wieder Fotos gezeigt, auf denen man doch bitteschön erkennen soll, dass Almaz Yohannes ja so zierlich, sonnig und süß sei, also nie etwas Böses getan oder auch nur gedacht haben kann.

Um nicht missverstanden zu werden: sollte Almaz Yohannes in Feuerherz tatsächlich verleumdet worden sein, so wäre dies in der Tat nicht nur bedauerlich, sondern ungeheuerlich. Das Buch dürfte in seiner jetzigen Form natürlich nicht mehr ausgeliefert werden und Yohannes müsste, sofern dies überhaupt in vollem Umfang möglich wäre, vollständig rehabilitiert werden, sowohl mittels Unterlassung als auch mittels Schadensersatz und Gegendarstellung. Zu hören, Yohannes gehe es schlecht und sie könne ihrem Beruf nicht mehr nachgehen, ist traurig und wird hier ausdrücklich bedauert. Das kann niemand wollen.

Doch damit ist nichts bewiesen. Egon Krenz ging es auch schlecht, trotzdem hat er offenbar Mauertote zu verantworten. Herr Disch, und was ist, wenn Mehari tatsächlich vergewaltigt und schikaniert wurde, tatsächlich in einem Militärcamp lebte, statt in einem „Salem in der Wüste“, wie Frank Nordhausen in der Berliner Zeitung schrieb? Das wäre doch dann aber auch schrecklich? Oder sehen Sie dies anders, Herr Disch? Vergewaltigung wiegt möglicherweise schwerer als üble Nachrede. Das kann man zumindest hoffen. Solange jedoch nichts bewiesen ist, werden hier beide Versionen für gleichrangig erachtet und für keine Seite Partei ergriffen, auch wenn sicher unbestreitbar auf den ersten Blick etwas für die Partei zu sprechen scheint, deren Meinung von mehreren Menschen vertreten wird, als für die, welche nur eine Zeugin aufzubieten hat. Doch man hüte sich davor, die Version der zahlenmäßig überlegenen Partei für glaubwürdiger zu halten, weil sie eben mehrere Fürsprecher hat. Gerade in paramilitärischen Milieus gibt es Gruppendynamik, die zu Schlimmstem imstande ist. Man denke bitte an die perversen Exzesse in der Bundeswehr, wo „Kameraden“ vergewaltigt und schikaniert werden und nachher ein Täter den anderen deckt. Damit sei den „Zeitzeugen“ nichts Dahingehendes unterstellt. Es geht hier um das Aufzeigen von existenten Paradigmen, die man in seine Urteile mit einbeziehen sollte, bevor man sie fällt. Immerhin äußert sich Peter Disch in seinem Blog etwas dezenter und blendet aktuelle Gegenmeinungen nicht komplett aus, wie es bei Zapp der Fall zu sein scheint. So ließ er jüngst in seinen Kommentaren eine seiner Meinung entgegengesetzte Äußerung stehen (und beantwortete sie auch). Es ist aber schon interessant, dass die bisher einzige Reaktion in diesem Thread ausgerechnet eine andere Meinung vertritt als die von Disch propagierte, etwas, wozu Zapp sich, wie gesehen, ja nicht so recht in der Lage sieht.

Interessant ist auch, dass Almaz Yohannes ja offenbar gar nicht gegen die Behauptung klagt, dass es in Eritrea Kindersoldaten gegeben habe, sondern dagegen, dass sie als Ungeheuer dargestellt worden sei. Auch Zapp gehe es dem Vernehmen nach immer nur um das eine Lager bzw. die eine Schule, die von Mehari in einem falschen Licht dargestellt worden sei. Trotzdem glauben so einige Zuschauer, bei Zapp von Beginn an einen Subtext zu erkennen, der immer wieder auch ganz generell die Existenz von Kindersoldaten in Eritrea deutlich in Zweifel zu ziehen scheint. Auch Zapps Experte, Günter Schröder, äußerte sich in der Zapp-Sendung vom 14.02.2007 etwas nebulös, angesichts der Tatsache, dass er die Existenz von Kindersoldaten in Eritrea nicht anzweifle:

Sie [Mehari, d.V.] hat dieses Schicksal eines Kindersoldaten eigentlich nicht erlebt. Und es ist unfair auch gegenüber den Kindersoldaten in Liberia, in der Sierra Leone oder in Uganda. Also, wenn sie sich in diese Reihe einreiht und da einen Opferstatus reklamiert, den sie in diesem Sinne nicht gehabt hat.18

Wieso sagt Günter Schröder nicht, dass es gegenüber den Kindersoldaten in Eritrea unfair sei? So aber kann sich der Zuschauer doch des Eindrucks kaum erwehren, dass hier gerade impliziert wurde, dass es keine Kindersoldaten in Eritrea gegeben habe, ohne dass dies explizit gesagt wurde. Wieso sagt Günter Schröder, Mehari habe das Schicksal eines Kindersoldaten „eigentlich“ nicht erlebt. Und uneigentlich?

Eigentlich gehe es Zapp also nur um Almaz Yohannes und uneigentlich aber unterschwellig scheinbar doch auch um Eritrea insgesamt und dessen Image. Das alles macht einen etwas beliebigen und wirren Eindruck. Man ist eben wahrscheinlich etwas aufgeregt, weil man aufgrund der Berlinale die Augen der Welt auf sich gerichtet glaubt bzw. hofft.

Ach ja, am 31. Januar, also am Tag der letzten Zapp-Sendung lobt Peter Disch auf seinem Watchblog seinen Kollegen Hans Leyendecker (dessen Namen er zuvorkommenderweise auch noch mit dem gleichnamigen Wikipedia-Artikel verlinkt) über den grünen Klee („Schnell, schneller, Leyendecker“) dafür, dass er so schnell auf die Zapp-Vorabmeldung der letzten Woche reagiert habe – und inhaltlich natürlich ganz im Sinne von Zapp. Doch auch ohne den netten Link zu Wikipedia ist bekannt, dass Hans Leyendecker einem gewissen Verein namens Netzwerk Recherche e.V. angehört. Diesem Verein gehören, wie auf dieser Seite bereits mehrfach erwähnt, auch der Zapp-Chefredakteur Kuno Haberbusch an, die Zapp-Mitarbeiterin und Enthüllerin von Meharis angeblichen Lügen, Julia Salden, genauso wie Thomas Leif, der im Übrigen mit nicht gerade als gering zu bezeichnender Kritik an seiner journalistischen Arbeit konfrontiert zu sein scheint. Hierzu wird nochmals auf eine interessante Quellensammlung bei Wikipedia hingewiesen und insbesondere auf den Artikel That’s Leif in „konkret“ – Heft 3/2006 von Jörg Jacobi. Auf der Homepage von Netwerk Recherche e.V. kann man sich ein Foto des Vereinsvorstandes anschauen, wo die oben genannten Akteure einträchtig nebeneinander stehen: Leyendecker, Haberbusch, Salden, Leif. Natürlich dient das Netzwerk einzig dem Ziel „die journalistische Recherche in der Medien-Praxis zu stärken“ und nicht etwa, sich einen Pool von Claqueuren zu organisieren, die dann unkritisch dem eigenen Anliegen als Katalysator dienen, gegen die Bösen: Focus, Bild und wie sie alle heißen. Es wäre sympathischer, wenn man gute Kritik an Bild oder wer auch immer sie verdient, übte, die ganz aus sich selbst heraus einschlägt ohne diese peinlichen Verstärker. Es ist wirklich interessant, wie sich nach bestimmten Zapp-Sendungen immer wieder alte Bekannte, scheinbar außen stehende, vermeintlich neutrale Journalisten lobend über Zapp äußern oder ihm Preise verleihen.

Peter Disch weiß mit Sicherheit, dass Leyendecker und Haberbusch alte Bekannte sind und sich regelmäßig gegenseitig loben oder vor Dritten verteidigen, wenn Not am Mann ist. So bekam Leyendecker mehrmals in Haberbuschs Zapp Schützenhilfe in seinem Kampf gegen den Focus und dessen Chefredakteur Helmut Markwort. Thomas Leif sorgte wiederum in seiner Funktion als Jury-Mitglied des Otto-Brenner-Preises dafür, dass Zapp 2006 den dritten, mit 3.000 Euro dotierten Preis erhielt. Nun also lobt Hans Leyendecker ganz unabhängig und so unerhört schnell die Sendung Zapp für ihren aufgewärmten Kaffee der letzten Woche. Es ist aber auch wirklich großartig, wie er das gemacht hat. Peter Disch informiert zahleninteressierte Menschen darüber, dass Hans Leyendecker nur rekordverdächtige 3 Stunden und 28 Minuten benötigt habe (das nächste Mal vielleicht noch die Sekundenangabe), um auf die von Zapp lancierte Vorabmeldung zu reagieren. Das ist nun aber wirklich mal erwähnenswert. Disch nennt dies „effizientes Arbeiten“. Gemeint hat er aber womöglich eher effizientes „Zuarbeiten“. Wollen Sie der Welt wirklich weismachen, Herr Disch, dass Hans Leyendecker auf eine offizielle Vorabmeldung von Zapp angewiesen war und nicht einfach regelmäßig mit seinem Netzwerk-Freund Kuno Haberbusch Kontakt hat? Diese Art von pflichtschuldiger Schützenhilfe gemahnt doch an den Hessen-Wahlkampf, wo Angela Merkel ihrem Parteigrobian – wie manche ihn nennen – Koch beistand, wobei man bei ihr noch den Eindruck hatte, dass sie eigentlich gar nicht so einverstanden mit ihm war, aber ihm wohl noch etwas schuldig war. Leyendecker, Haberbusch und Leif scheinen sich hingegen mit dem größten Vergnügen gegenseitig beizupflichten. Hier sei ein Stück aus einem früheren Artikel auf dieser Seite zitiert: „Es ist eben ein Wesensmerkmal von Netzwerken, dass man sich darin gegenseitig Honig ums Maul schmiert, um so künstliche, scheinbar unabhängige Publicity zu generieren, mit deren Hilfe man sein berufliches Fortkommen auf dubiose Weise befördert.“ Also vor allem Netzwerk, dann Recherche?

Es scheint Disch und Salden mehr darum zu gehen, zu beweisen, dass es in einem einzelnen Flecken Afrikas keine Kindersoldaten gegeben habe, als darum, das selbst von Disch und Salden nicht geleugnete, in vielen Regionen Afrikas gegenwärtig existente Problem von Kindersoldaten überhaupt zu thematisieren oder gar zu lösen. Man verbeißt sich in irgendeinen kleinen Fleck im Tischtuch und nimmt in Kauf, dass man bei seinem Gezerre das gesamte Gedeck dabei herunter wirft.

Wie lange werden Zapp, Disch und die „Zeitzeugen“ den Kampf für ihre Wahrheit betreiben? Werden sie sich erst zufrieden geben, wenn sich das Orakel von Abraham Mehreteab erfüllt hat, wonach Mehari irgendwann zusammenbrechen müsse:

Abraham Mehreteab: „Je länger das weitergeht, glaube ich nicht, das[sic!] sie das mit ihrem Gewissen vereinbaren kann. Irgendwann bricht sie zusammen, glaube ich. Sagt lieber die Wahrheit, wie es war. Und erzähl das und denke ich auch, dass es besser ist.“19

Wenn man dank Zapp und Disch nicht inzwischen wüsste, dass die „Zeitzeugen“ völlig harmlose, liebe und friedliebende Menschen sind, die als Krankenpfleger in München und bei Toll Collect am Potsdamer Platz arbeiten – also vollkommen harmlos sein müssen, könnte man obiges Zitat – insbesondere die letzten beiden Sätze – fast als eine nur gering verschlüsselte Drohung verstehen. Damit nun keine Anwälte aufwachen und Abmahnungen oder Unterlassungsforderungen eintüten: Auch hier wird keinem einzigen der „Zeitzeugen“ irgend etwas auch nur im Entferntesten Negatives unterstellt. Wie gesagt, es ist dem Autor einerlei, wer hier recht hat. Es geht nur darum, wie die Wahrheit ans Licht kommt. Es geht darum, aufzuzeigen, was für ein doch nicht unbeträchtliches Loch zwischen Zapps Anspruch und der Realität zu klaffen scheint.

Dass Produzenten, Verlag und Mehari selbst offenbar kein gesteigertes Interesse mehr an Interviews mit Zapp haben, oder an von Zeitzeugen initiierten Podiumsdiskussionen, scheint dieses als ganz klaren als Beweis dafür zu deuten, dass es recht habe. Auf die Idee, dass man womöglich mit einem Magazin einfach nicht mehr reden möchte, weil es vielleicht bereits wie mit der Axt im Walde durch den Äther gezogen ist bzw. soviel Porzellan zerschlagen haben könnte, dass niemand außer das Netzwerk Recherche e.V. noch mit Zapp reden möchte, ist wahrscheinlich eher nicht Bestandteil von Zapps Kalkulation. Wenn Bild nicht mit einem reden will, ist es ja schon fast zu Recht der Ritterschlag, mit dem man sich brüsten kann, wie Zapp es ja auch in aller Ausgiebigkeit und Selbstgefälligkeit tut. Wenn der Focus nicht mehr mit einem redet, kann man das auch noch als schmeichelnd empfinden. Wenn man es sich aber nach und nach mit allen verscherzt, einschließlich der Kollegen aus dem eigenen Sender, dann wird die Luft doch ein bisschen dünn für ein Medienmagazin. Es ist letztlich auch für den Zuschauer nur bedingt glaubwürdig, dass nur Zapp den guten Journalismus für sich gepachtet haben soll, während alle anderen alles falsch machen. Diesen Eindruck aber vermittelt Zapp des öfteren.

All das hier Gesagte wird Zapp wohl in keiner Weise beirren, sondern an seiner Wachsschicht der Selbstgerechtigkeit abperlen, nicht zuletzt, weil man ja gestern mit dem Bert-Donnepp-Preis des Adolf-Grimme-Instituts ausgezeichnet wurde. Folglich muss man ja alles richtig machen. Diesmal scheint auch kein Vorstandsmitglied aus dem Netzwerk Recherche e.V. in der Jury gesessen zu haben. Ob Zapp wirklich so sehr für „praktizierte Medienethik“ steht, wie es in der Begründung der Jury heißt, darf nach einigen hier genannten Gegenbeispielen zumindest teilweise und natürlich ganz vorsichtig angezweifelt werden. Es bleibt zu hoffen, dass die 5.000 Euro Preisgeld nicht nur verprasst werden, sondern vielleicht zur Abwechslung einmal wieder objektiver Wahrheitsfindung dienen, an der allen gelegen sein sollte.

Nachtrag:

Peter Disch veröffentlichte soeben auf seinem Feuerherzblog, dass Meharis Manager ihm mitgeteilt habe, dass Mehari nicht an einer „Podiumsdiskussion mit ihren deutsch-eritreischen Kritikern“ teilnehmen werde, weil der Termin zu kurzfristig angesetzt worden sei und Mehari deshalb bereits andere Verpflichtungen habe. „Man freue sich aber, dass die Zeitzeugen endlich bereit seien, Mehari zu treffen. Er hoffe, dass möglichst bald nach der Berlinale ein Termin gefunden werden könne. Voraussetzung für eine solche Diskussion seien ein neutraler Rahmen, ein unparteiischer Moderator und ein ausgewogen zusammen gesetztes Podium.“20 Das sind doch versöhnliche Töne. Mal sehen, ob Zapp diese Nachricht eine kurze Meldung wert ist. Senait Mehari, Senait Ghebrehiwet Mehari, Senait G. Mehari, Mehari, Feuerherz, Eritrea, ELF, Eritrean Liberation Front, Eritrean People’s Liberation Front, EPLF, Almaz Yohannes, Agawegatha, Kuno Haberbusch, Bert Donnepp Preis, Zapp, NDR, Droemer Knaur, Droemer Knaur Verlag, Sven Burgemeister, Andreas Bareiss, Letekidan Micael, Solomie Micael, Seble Tilahun, Daniel Seyo, Heart of Fire

© Stefan Fix, 2008

  1. Zapp-Eigenwerbung, natürlich mit selbstironischem Augenzwinkern, aber tief im Innern wahrscheinlich absolute Überzeugung.
  2. Die Fiktionalisierung einer Fiktionalisierung, wie auch schon zu lesen war.
  3. 1. Wer im Glashaus ZAPPt2. Wer im Glashaus ZAPPt (die Zweite) – 3. Wer im Glashaus ZAPPt (die Dritte)
  4. An dieser Stelle sei betont, dass Frau Gladziejewski keineswegs eine schlechte Figur machte, aber doch verunsichert wirkte. Die Aussage ist, dass Zapp offenbar das Ziel verfolgt, Vertreter ihm nicht genehmer Meinungen möglichst zu verunsichern, um diese Verunsicherung für sich als Beweis zu verbuchen. Es gelingt ihm in verschiedenen Graden.
  5. So jedenfalls wirken manche Interviewpartner.
  6. Dieses Eindrucks jedenfalls kann sich manch Zuschauer nicht erwehren.
  7. Zapp sollte den berühmten und gern zitierten Satz über gute Journalisten von Hans Joachim Friedrichs ruhig einmal auf sich selbst und nicht nur auf Andere anwenden. Den gleichnamigen Preis würde das Medienmagazin jedenfalls alles andere als verdienen.
  8. Später räumt sie diese Tatsache in ihrer Stellungnahme auf der Zapp-Seite ein
  9. Quelle: Peter Disch, Journalist für Popmusik, Feuerherzblog, Eintrag vom 05.02.2008.
  10. Hier soll um Gottes willen keine Wertung vorgenommen werden, derzufolge zivilisatorische Standards bei den einen höher als bei den anderen seien. Sonst unterstellt Peter Disch, ein Journalist für Popmusik, womöglich wieder das typische Afrikabild, das wahrscheinlich alle außer ihm und wenigen anderen, mit großer Einsicht Gesegneten haben. Aber Standards sind verschieden. Nicht nur in unterschiedlichen Gesellschaften, sondern auch in unterschiedlichen Phasen ein und derselben Gesellschaft. So wurde in Nachkriegsdeutschland auch so einiges als normal empfunden, was man vor dem Krieg oder heute als barbarisch ansah bzw. ansieht, einfach weil es die Umstände geboten.
  11. Peter Disch, Feuerherzblog, Eintrag vom 05.02.2008
  12. Peter Disch: Zwei Leben in einem?, Der Tagesspiegel, 17.2.2007
  13. Hier wird auf den von Zapp präsentierten „Eritrea-Experten“ Günter Schröder Bezug genommen. Wo war eigentlich Günter Schröder in der letzten Zapp-Sendung?!
  14. Es darf hier auf den Artikel Wer im Glashaus ZAPPt die Zweite verwiesen werden, wo am Beispiel von Aharon Appelfeld erläutert wird, wie absurd es ist, jemandem, der über eine Zeit schreibt, in der noch ein Kind war, das Recht abzusprechen zu wollen, trotz womöglicher Fehler im Detail darüber zu schreiben.
  15. Spiegel-Online-Interview mit Thomas Leif vom 03.02.2006
  16. Leyendecker im Interview mit „Das Literatur-Café“ auf der Frankfurter Buchmesse 2007
  17. Leif im Interview mit Spiegel-Online
  18. Günter Schröder in der Zapp-Sendung vom 14.02.2007
  19. Abraham Mehreteab in der Zapp-Sendung vom 14.02.2007
  20. http://feuerherz.blog.de/2008/02/04/diskussion_senait_mehari_kommt_nicht~3680398
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