Glaubensfreiheit für die Welt / Rettete bei Breitenfeld / Gustav Adolph Christ und Held
Das ist der Löw von Mitternacht / Von dem man so lang hat gesagt / Daß er plötzlich einbrechen werd / Wenn die Kirch ist am meistn beschwert / Daß er die Unbarmherzigkeit / Und unerhörte grawsamkeit / Der Feinde Christi mögte straffn / Mit Gott und ritterlichen Waffn / Und das bedrengte Häufflein rettn / In äußerster gefahr und Nöthn. O Bete nun wer beten kan / Der Löw getrost den Feind greiff an / Gott der alte Kirchen Patron / Kan uns durch diesen Gedeon / Eretten auß der Feinde Hand / Und sie stürzen mit Spott und Schand / Daß unser Mund voll lachens frey / Und unser Zung voll rühmens sey/ Weil durch den Helden in höchster Noth / Uns hat erlöst der treue Gott.1
Der „Löw von Mitternacht“ ist der Löwe aus dem Norden (Gustav Adolf), da der Osten für Morgen, der Süden für Mittag und der Westen für Abend steht. Bei dem lateinischen Ausdruck septem triones handelt es sich um die Bezeichnung des Siebengestirns. Die wörtliche Übersetzung jedoch lautet: die sieben Dreschochsen. Die Römer nannten das Sternbild deshalb so, weil sich die sieben hellsten Sterne des Sternbilds um den Polarstern bewegen, wie Ochsen um den Göpel einer Dreschmaschine. Diese Ochsen zu hüten, ist im Übrigen die Aufgabe des benachbarten Sternbilds Bärenhüter, der auch Ochsentreiber genannt wird.2 Plejaden lautet die griechische Bezeichnung für das Siebengestirn, was sich aus der griechischen Mythologie ableitet. Plejaden hießen nämlich die sieben Töchter des Atlas und der Okeanide Pleione. Aufgrund ihrer Abstammung von Atlas werden sie auch als Atlantiden bezeichnet. Dem Mythos zufolge wurden die Plejaden von Zeus als Siebengestirn an den Himmel versetzt, um sie vor den Nachstellungen des Jägers Orion zu retten, doch auch dort werden sie noch immer von Orion verfolgt, dessen Sternbild sich etwa 30° südwestlich der Plejaden befindet. Die Plejaden sind etwa von Mitte September bis Ende April am nördlichen Sternenhimmel sichtbar, daher stehen sie als Synonym für die Himmelsrichtung Norden.Man schrieb das Jahr 1630, als Johann t’Serclaes Graf von Tilly – der aus Wallonisch-Brabant stammende Feldmarschall der Katholischen Liga – die Durchführung des Restitutionsedikts in Norddeutschland übernahm, das Kaiser Ferdinand II. (reg. 1619-37) am 6.3.1629 erlassen hatte und bei dem es im Wesentlichen darum ging, alle seit dem Passauer Vertrag (von 1552) von den Protestanten eingezogenen Stifte und Kirchengüter den Katholiken zurückzuerstatten. Dies wäre einer Rekatholisierung sämtlicher norddeutscher sowie zahlreicher süddeutscher Bistümer, Abteien und Klöster gleichgekommen. Das Edikt stellte eine offene Herausforderung der protestantischen Fürsten dar, die dadurch in ihrer Existenz gefährdet waren. Immerhin hätten sie zwei beschlagnahmte Erzbistümer, zwölf Bistümer sowie 500 Abteien wieder dem katholischen Klerus übereignen müssen. Nachdem der Jesuitenschüler Tilly bereits bei Prag und in Süddeutschland protestantische Widersacher überwiegend erfolgreich bekämpft hatte, wandte er sich gen Norden und siegte im Münsterland gegen den Herzog von Braunschweig, woraufhin ihn der Kaiser in den Grafenstand erhob. Alsdann richtete er sein Augenmerk auf den Niedersächsischen Reichskreis, der die östlichen Teile des heutigen Bundeslandes Niedersachsen, das nördliche Sachsen-Anhalt ohne die Altmark, Mecklenburg, Holstein, Hamburg und Bremen sowie weitere kleine Gebiete umfasste. Hier begann er bereits vor Erlass des o.g. Ediktes mit der gewaltsamen Restitution protestantischer Bistümer und Klöster an die katholische Kirche sowie an die Jesuiten. Seine Truppen belagerten mehrere niedersächsische Städte und ergriffen plündernd und mordend von ihnen Besitz. So wurde beispielsweise auch Göttingen belagert und beschossen. Um die Stadt von der Wasserzufuhr abzuschneiden, ließ Tilly dort sogar durch Harzer Bergleute die Leine umleiten. Schließlich eroberte er Anfang August 1626 auch Göttingen. Ende des gleichen Monats schlugen Tilly und Wallenstein den Dänenkönig Christian IV. und den mit ihm verbündeten Graf Mansfeld in der Schlacht bei Lutter am Barenberge (südlich von Salzgitter). König Christian IV. war in seiner weiteren Funktion als Herzog von Holstein auch deutscher Reichsfürst und gehörte somit zum oben erwähnten Niedersächsischen Reichskreis, der ihn zu seinem Feldobristen gewählt hatte. Im Anschluss an die Niederlage Christians vertrieben Wallensteins und Tillys Armeen die Dänen aus Niedersachsen und verfolgten sie nach Jütland. Holstein, Mecklenburg und Pommern wurden erobert. Im Frieden von Lübeck verpflichtete sich Dänemark bei Rückerhalt seiner besetzten Gebiete zur Nichteinmischung in die deutschen Streitigkeiten und schied somit aus dem Dreißigjährigen Krieg aus.
Nun sah Gustav Adolf von Schweden die Chance gekommen, seine hegemonialen Ansprüche in Nordosteuropa durchzusetzen und Schweden zur Ostseevormacht zu erheben. In der protestantischen Bevölkerung wurde und wird Gustav Adolf oft als Retter des Protestantismus idealisiert, wobei jedoch außer acht gelassen wird, dass dieser natürlich auch Machtpolitiker war, der seinen Einfluss maximieren wollte. Die Rettung des Protestantismus ist ihm, zumindest was Deutschland anbetrifft, sicher zuzuschreiben, doch war dies wohl kaum sein Hauptaugenmerk. Wie der 30-jährige Krieg nur zum Teil konfessionell motiviert war, so war es auch nur bedingt Gustav Adolfs Ziel, Solidarität mit den Protestanten Norddeutschlands zu üben. Das Beispiel Frankreich eignet sich hervorragend, um zu zeigen, dass die Konfession auch im Dreißigjährigen Krieg durchaus hinter das Machtstreben zurücktrat. Das katholische Frankreich nämlich, das sich von den ebenfalls katholischen habsburgischen Landen Spanien, Burgund und Niederlande umklammert fühlte, unterstützte in finanzieller Weise die überwiegend calvinistische Utrechter Union (Unie van Utrecht), aus der später die Republik der Sieben Vereinigten Niederlande und schließlich das Vereinigte Königreich der Niederlande hervorging. Hier lag der sogenannte habsburgisch-französische Gegensatz zugrunde – ein Konflikt zwischen dem Haus Habsburg und dem Königreich Frankreich um die Vorherrschaft in Europa, der von 1516 bis 1756 andauerte. Der aus dem Haus Habsburg stammende Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation Ferdinand II. war – wie Tilly – von Jesuiten erzogen worden, die ihm einen unversöhnlich Hass gegen den Protestantismus einimpften. Sicherlich war ihm sein Ziel der Rekatholisierung daher eine aufrichtige Herzensangelegenheit, doch gleichzeitig war es natürlich sein Ziel seine ganz weltliche Macht auszudehnen bzw. zu reetablieren. Und eben diese weltliche Macht des habsburgischen deutschen Kaisers wollte Frankreich nicht weiter ausgedehnt wissen. Kardinal Richelieu, der als erster Minister Ludwigs XIII. die Fäden der französischen Politik in den Händen hielt, scheute daher nicht davor zurück, sich über den Bund mit den protestantischen Niederlanden hinaus im Jahr 1631 im Vertrag von Bärwalde (in der heutigen polnischen Woiwodschaft Westpommern gelegen) mit dem protestantischen Schweden gegen den deutschen Kaiser zu verbünden. Frankreich verpflichtete sich darin, sich mit 40.000 Reichstalern an den schwedischen Kriegskosten zu beteiligen. Vorerst beschränkten sich die Franzosen also auf diese Art von indirekter Parteinahme. Im Jahr 1635 erklärte Frankreich Spanien und Ferdinand II. den Krieg, griff somit nun auch direkt ins Kampfgeschehen ein und kämpfte zum Teil auch im Verein mit schwedischen Truppen besonders im badischen und schwäbischen Raum gegen kaiserliche Armeen aber auch an der Grenze zu Spanien. Gustav Adolf nun sah sich also nach dem Ausscheiden Dänemarks am Zug, um dem weiteren Vordringen der Katholischen Liga in Norddeutschland Einhalt zu gebieten und diese womöglich gar zurückzudrängen. So landete er mit seinen Truppen am 4. Juli 1630 auf Usedom. So sehr mit dieser Landung sicherlich die Hoffnung verbunden war, Schweden als Ostseevormacht zu etablieren, so handelte es sich dabei wohl zunächst und vordringlich um eine Präventivmaßnahme, schließlich rückten Wallensteins und Tillys Truppen in bedrohliche Nähe zum protestantischen Schweden. Während sich Frankreich wie oben beschrieben aus freien Stücken mit Schweden verbündete, musste Gustav Adolf seine „natürlichen“ Verbündeten, die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, die eigentlich vorzogen, neutral zu bleiben, zu Bündnisverträgen zwingen.
Noch bevor jedoch dieses Bündnis gegen die Katholische Liga vorgehen konnte, vollbrachte Tilly noch das, was unter der Bezeichnung „Magdeburger Hochzeit“ in die Annalen eingegangen ist. Dahinter verbirgt sich das größte Einzelmassaker des Dreißigjährigen Krieges. Verheiratet wurden hierbei sinnbildlich auf höchst gewaltsame Weise die widerspenstige „Magdeburger Jungfrau“, wie sie sich im Wappen der Stadt findet mit dem Kaiser bzw. mit dem in dessen Sinn handelnden „Freier“ Tilly. Dieser griff mit etwa 26.000 Soldaten die Domstadt am 20. Mai 1631 – nach zehntägiger Belagerung – an, als die Truppen Gustav Adolfs nur noch wenige Tagesmärsche entfernt waren – zu weit, um helfend einzugreifen bzw. weit genug, um Tilly noch nicht gefährlich werden zu können. Andere kaiserliche Truppenverbände hatten sich Gustav Adolfs Truppen in den Weg gestellt und sie somit aufgehalten. Magdeburg wurde nun rücksichtslos geplündert und verwüstet, seine Bevölkerung massakriert. Währenddessen wurde die Stadt in Brand gesetzt – mit fatalen Folgen. Von den 30.000 als vogelfrei geltenden Einwohnern überlebten nur etwa 10.000, von denen viele ihr Heil in der Flucht suchten oder sich freikauften, so es ihre Mittel zuließen. Wieder andere wurden als Konkubinen und Dienstboten von Tillys Truppen verschleppt. Eine amtliche Zählung nach diesem Ereignis ergab nur noch 449 Einwohner. Es sollte bis hinein ins 19. Jahrhundert dauern, dass Magdeburg seine alte Einwohnerzahl wieder erreichte – die Stadt wurde also um mindestens 200 Jahre in ihrer Entwicklung zurückgeworfen. Magdeburg versank in Schutt und Asche, lediglich der Dom, das Kloster Unser Lieben Frauen und einige Häuser am Domplatz überdauerten dieses sich über mehrere Tage hinziehende Inferno. Viele der Überlebenden waren zudem gezwungen, die Stadt zu verlassen, weil ihnen durch die enormen Zerstörungen die Lebensgrundlage entzogen war, außerdem dezimierten bald ausbrechende Seuchen die Bevölkerung zusätzlich. Den großen Magdeburger Trümmerhaufen benannte Tilly dann feinfühligerweise in Marienburg um. Um die Demütigung noch perfekt zu machen und natürlich zum Zeichen des Sieges des Katholizismus, wurde am 25. Mai unter dem Beisein Tillys ein katholischer Gottesdienst im bis dahin längst protestantischen Magdeburger Dom abgehalten. Mit dieser ungeheuerlichen Zerstörung der Stadt fand das Verb „magdeburgisieren“ Eingang in den deutschen Sprachgebrauch als Synonym für „völlig zerstören, auslöschen“. Historiker sprechen etwas anachronistisch vom „Hiroshima des 17. Jahrhunderts“. Drei Jahrhunderte lang blieb dieses Ereignis sowohl für deutsche Evangelische als auch für deutsche Katholiken Inbegriff und Metapher des Schreckens und wäre es sicher noch bis heute geblieben, hätten nicht die Schlachten des Ersten Weltkrieges (Schlacht an der Somme, Schlacht um Verdun) sowie die von den Deutschen verschuldeten Schrecken des Zweiten Weltkrieges alles zuvor Dagewesene übertroffen. Die gezielte Zerstörung einer einzelnen Stadt wurde zunächst von den Deutschen im Jahr 1937 in Guernica praktiziert, 1939 in Warschau, 1940 dann in Coventry, woher sich auch der NS-Euphemismus „coventrieren“ ableitete, sowie im gleichen Jahr in Rotterdam. Dann 1940/41 „The Blitz“ in London sowie 1942 „Baedeker Blitz“ – Vergeltungsangriffe deutscher Flieger auf englische Städte. In den Jahren 1942/43 erlitt Stalingrad seine vollständige Zerstörung. Hamburg erhielt seine Quittung für die Naziverbrechen von der Royal Air Force und der USAAF in Form der „Operation Gomorrha“. Dieser Bezug auf die der Sünde anheimgefallenen alttestamentlichen Städte Sodom und Gomorrha und deren vollständige Vernichtung durch Gott mittels Regen aus Feuer und Schwefel erwies sich auf grausame Weise als ziemlich passend, da auch Hamburg nicht zuletzt auch durch ungünstige Winde einen Feuersturm erlebte. Der Operation fielen etwa 35.000 Menschen zum Opfer. Im Jahr 1945 fielen in Dresden schließlich wahrscheinlich etwa ebenso viele Menschen britischen und amerikanischen Luftangriffen zum Opfer, wobei die Angaben der Opferzahlen weit auseinandergehen, da die Lage in der Stadt zu diesem Zeitpunkt sehr chaotisch war, insbesondere durch großen Flüchtlingsströme aus Schlesien, die zu diesem Zeitpunkt auch in Dresden Unterschlupf suchten. Nicht vergessen werden darf der schwerste konventionelle Bombenangriff der Menschheitsgeschichte, der sich nicht etwa auf deutschem Boden ereignete, sondern in Tokio und zwar am 9. März 1945. Hierbei fanden über 100.000 Menschen den Tod. Nur die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki im August 1945 überstiegen diese Zahl mit 155.000 Todesopfern. Dabei handelt es sich jedoch nur um die Menschen, die sofort nach der Explosion starben. Noch einmal 110.000 Menschen fanden nur wenige Wochen darauf durch die Folgen der radioaktiven Verstrahlung den Tod. Zudem starben etwa 100.000 Menschen in den Jahren und Jahrzehnten nach diesem Ereignis an Folgeschäden. Hiroshima wurde somit zum Inbegriff der schlimmsten gezielten Zerstörung einer Stadt und löste alle zuvor dagewesenen, wie eben auch Magdeburg ab. Die „Magdeburger Bluthochzeit“, der „Magdeburger Opfergang“ oder auch die „Passion der Magdeburgischen Jungfrau“ entwickelte sich zum Mythos und wurde ein wesentlicher Bestandteil preußisch-protestantischer Geschichtsschreibung. Das 1680 Preußen einverleibte Magdeburg dient dort als Mahnung vor der „Eifersucht der deutschen Stämme“, vor der Selbstzerstückelung Deutschlands (wie sie Günter Grass in „Das Treffen in Telgte“ thematisiert, wo er deutsche Schriftsteller und Dichter in einem fiktiven Treffen miteinander über die Zeit nach dem Krieg debattieren lässt (eine Anspielung auf die Treffen der Gruppe 47 nach dem 2. Weltkrieg):
Es mündet die Klage über die Zerstörung Magdeburgs […] in umfassende Trauer über das sich selbst zerstückelnde Deutschland.
Statt sich selbst zu zerfleischen, sollte Deutschland aus preußischer Sicht ein starkes geeintes Imperium werden, allerdings natürlich unter protestantischem Vorzeichen und preußischer Vormacht, so wie es die „Kleindeutsche Lösung“ des Jahres 1848 vorgesehen hatte und wie es im Jahr 1871 mit der Gründung des Deutschen Reiches mit einem preußischen Kaiser an seiner Spitze dann auch verwirklicht wurde. Die Katholiken im Reich bekamen bald nach der Reichsgründung zu spüren, dass man ihnen in der Regierung nicht wohl gesonnen war. Das lag nicht allein an lange zurückliegenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Protestantismus und Katholizismus, sondern auch an ganz aktuellen Gegensätzen beider Konfessionen. So hatte Papst Pius IX. sieben Jahre vor der Reichsgründung den sogenannten „Syllabus Errorum“ veröffentlichen lassen, ein „Verzeichnis der Irrtümer“ also, in denen 80 Thesen als falsch verurteilt wurden. Darunter waren freie Religionswahl und -ausübung, natürlich der Protestantismus, Rationalismus, Indifferentismus, Kommunismus, Liberalismus u.a. Es wurde auch allgemein für falsch erklärt, dass man das ewige Heil und die ewige Seligkeit auf einem anderen Weg als auf dem des Katholizismus erlangen könne. Hinzu kam das 1869/70 auf dem Ersten Vatikanischen Konzil (Vaticanum I) verkündete Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes, demzufolge der Papst bei der Verkündigung von Lehrentscheidungen (ex cathedra) in Glaubens- und Sittenfragen unfehlbar sei. Auf dem Konzil wurden zudem Atheismus, Materialismus, Pantheismus und Agnostizismus verurteilt. Diese Verlautbarungen des Papstes wurden von Bismarck als massiver Angriff der Kirche auf die herrschende moderne, durch die Forschungsergebnisse der Naturwissenschaften gestützte Weltanschauung und als ein für den Staat untragbarer Herrschaftsanspruch der römischen Kurie über den katholischen Volksteil des Reiches gedeutet. An diesen Meinungsverschiedenheiten entzündete sich dann ein etwa zwanzig Jahre andauernder Konflikt – der Kulturkampf, in dessen Zuge Bismarck eine Reihe von Beschlüssen erließ, die Repressionen der Katholiken im Reich nach sich zogen. So z.B. den Kanzelparagraphen, der es Geistlichen untersagte, sich von der Kanzel herab in staatliche Angelegenheiten einzumischen, was sich vor allem gegen katholische Geistliche richtete. Als weitere bzw. eigentliche Motive Bismarcks für den Kulturkampf werden dessen Abwehrstellung gegen das klerikale Frankreich und Österreich gesehen. Zudem wird der Kulturkampf mitunter als Präventivkrieg gegen eine potentiell reichsfeindliche katholische Opposition verstanden, die insbesondere auch in der polnisch-katholischen Bevölkerung in den Ostprovinzen gesehen wurde. Der Einfluss der Kurie auf diese Minderheit sollte zurückgedrängt und minimiert werden sowie die Rechte der Minderheit selbst beschnitten werden. So wurde am 10.12.1871 auf Antrag Bayerns (!) der o.g. Kanzelparagraph eingeführt. Ein Jahr darauf wurde mit dem Jesuitengesetzt die Gesellschaft Jesu und ihr verwandte Orden verboten sowie ihre Geistlichen außer Landes gezwungen. Höhepunkt aber waren die preußischen Maigesetze der Jahre 1873, 1874 und 1875. Unter anderem wurden Geistliche darin verpflichtet, eine staatliche Prüfung abzulegen. Zudem musste die die Ernennung von Geistlichen staatlichen Behörden gemeldet werden (Anzeigepflicht), wobei sich der Staat ein Widerspruchsrecht gegen diese Ernennung ausbedang. Unbotmäßige Bischöfe konnten von nun an von einem staatlichen Gericht abgesetzt und des Landes verwiesen werden. Von diesem Gesetzt wurde auch rasch und umfassend Gebrauch gemacht. Zunächst wurden die Erzbischöfe von Köln und Posen/Gnesen, die Bischöfe von Paderborn, Breslau, Münster und Limburg für abgesetzt erklärt. Im Jahr 1876 waren dann alle preußischen Bischöfe verhaftet oder ins Ausland geflohen sowie zahlreiche andere zu hohen Geld- oder Gefängnisstrafen verurteilt. Im Jahr 1875 wurden zudem alle Orden bzw. ordensähnlichen Kongregationen, abgesehen von solchen, die sich der Krankenpflege widmeten, verboten. Am 2.2.1875 verurteilte der Papst in der Enzyklika „Quod numquam“ die Kulturkampfgesetze und erklärte sie für nichtig. Dieser Schlagabtausch wurde durch Bismarcks „Brotkorbgesetz“ im April 1875 fortgesetzt. Der staatliche Brotkorb wurde damit sinnbildlich weit nach oben gehängt, indem der katholischen Kirche sämtliche staatlichen Zuschüsse gestrichen wurden. Damit bezweckte man, sich die Kurie gefügig zu machen sowie die Anerkennung des Kaiserreichs durch die Kurie. Bischöfe und Geistliche, die schriftlich diese Anerkenntnis leisteten, sollten die staatlichen Leistungen wieder erhalten. Im Grunde genommen handelte es sich also um Erpressung. Letztendlich scheiterte Bismarck jedoch mit seinem Versuch, eine klare staatliche Kirchenhoheit zu errichten. Nicht zuletzt die Innenpolitik zwang ihn zu einem Ausgleich mit den Katholiken und ihrem politischen Arm, dem Zentrum. So brauchte er die Unterstützung der Zentrumspartei beispielsweise für das Sozialistengesetz. Aus dem Kulturkampf gegen die Katholiken hatte Bismarck jedoch die Lehre gezogen, dass allein repressive Maßnahmen nicht automatisch zum Erfolg führten, weshalb er nun im Kampf gegen die „vaterlandslosen Gesellen“ und „Reichsfeinde“ von der Sozialdemokratie neben der „Peitsche“ auch das „Zuckerbrot“ zur Anwendung brachte. So kam es neben Verboten auch zur für damalige Verhältnisse fortschrittlichen Sozialgesetzgebung, mit der Bismarck den Sozialdemokraten und Gewerkschaften den Wind aus den Segeln zu nehmen gedachte. Um sich die Katholiken wider gewogen zu machen, ließ Bismarck bis 1891 fast alle Kulturkampfgesetze wieder aufheben und blieb so seiner Aussage: „Nach Canossa gehen wir nicht!“ doch nicht recht treu. Einige Gesetze überdauerten jedoch den Jahrhundertwechsel. So blieb das Jesuitengesetz bis 1917 in Kraft. Der Kanzelparagraph wurde in der Bundesrepublik gar erst 1953 aufgehoben. Manches Gesetz gilt sogar bis zum heutigen Tag. Zu nennen wäre zunächst das Schulaufsichtsgesetz. Damit wurde im Kulturkampf die bis dahin praktizierte kirchliche Schulaufsicht für das Volksschulwesen beendet und durch eine staatliche Aufsicht ersetzt. Darüber hinaus hat das Zivilehegesetz bis heute Bestand. Die Zivilehe ermöglichte beispielsweise bereits geschiedenen Personen eine erneute Heirat aber auch Mitgliedern anderer Konfessionen (wie z.B. Freikirchen), die aus der Staatskirche ausgetreten waren oder auch Freireligiösen die Ehe. Der Kulturkampf leistete somit auch einen Beitrag zur Modernisierung Deutschlands, brachte er doch die Trennung von Kirche und Staat voran. Anders als beispielsweise in Frankreich oder der Türkei wird die Trennung von Religion und Staat in Deutschland jedoch nicht streng laizistisch gehandhabt, sondern eher partnerschaftlich. So treibt der Staat beispielsweise die Kirchensteuer ein. An staatlichen Schulen darf Religion gelehrt werden. Christliche Kindergärten und Schulen werden vom Staat bezuschusst. In mancher Schule und in einigen Gerichtssälen hängen Kruzifixe bzw. Kreuze. Der Magdeburg-Mythos trieb jedoch noch weitere Blüten. So funktionierten deutsche Nationalisten gegen Ende des 19. Jahrhunderts diesen ursprünglich konfessionellen Konflikt völkisch um. Das katholisch-kaiserliche Lager galt ihnen als „fremdländisches, welsches Romanentum“, während die protestantische Seite mit Gustav Adolf das „nordische Germanentum“ symbolisierte. Also zurück nach Magdeburg. Kaum eine Stadt war den Katholiken ein größerer Dorn im Auge. Nachdem Magdeburg sich 1524 zur Reformation bekannt hatte, trat es 1531 dem Schmalkaldischen Bund bei und entwickelte sich im Laufe der Jahre zum Zentrum des Widerstandes gegen die Rekatholisierung. Den Protestanten galt die Stadt als „unseres Herrgotts Kanzlei“ sowie als „heilige Wehrstadt des Protestantismus“, dem Papst hingegen als „Ketzernest“. Zahlreichen Protestanten von außerhalb bot Magdeburg zudem Zuflucht. Nachdem Kaiser Karl V. 1547 den Schmalkaldischen Bund im Schmalkaldischen Krieg besiegt hatte, sann er auf eine Entspannung mit den Protestanten und erließ daher 1548 auf dem Augsburger Reichstag (auch „Geharnischter Reichstag“ genannt) das sogenannte Augsburger Interim. Dabei handelt es sich um ein Ausnahmegesetz gegen die Evangelischen, das nur wenige Zugeständnisse (Laienkelch, Priesterehe) beinhaltete, weshalb es bei einer Vielzahl evangelischer Länder und Städte auf Widerstand stieß, zu denen auch die freie Reichsstadt Magdeburg gehörte, die als geistiges Zentrum dieses Widerstandes galt. Aber auch die Katholiken waren mit dieser „Zwischenkonfession“ keineswegs einverstanden, sahen sie darin doch ein Aufweichen ihrer Positionen. Kaiser Karl V. beauftragte den albertinischen Wettiner Moritz, Herzog von Sachsen damit, gegen den sich formierenden protestantischen Widerstand, insbesondere in Magdeburg vorzugehen. Dass Karl einen Protestanten damit beauftragte, den protestantischen Widerstand zu bekämpfen, mag zunächst etwas seltsam anmuten, entpuppt sich jedoch bei näherem Hinsehen als der Versuch der fortgesetzten Verfolgung des Prinzips „divide et impera“ (lat. für „teile und herrsche“) von Seiten des Kaisers. Ganz im Sinne dieses Prinzips – nämlich Zwietracht im Lager des Gegners zu säen bzw. bestehende zu verstärken und diese Widersacher gegeneinander aufzubringen, um sie auf diese Weise zu neutralisieren, zu schwächen und leichter besiegen zu können – hatte Kaiser Karl V. Moritz von Sachsen bereits 1546 damit beauftragt, die von ihm gegen Moritz‘ Vetter Kurfürst Johann Friedrich I. verhängte Reichsacht zu vollstrecken. Nun war Johann Friedrich Kurfürst des ernestinischen Kursachsens und sein Vetter Moritz Herzog des albertinischen Herzogtums Sachsen. Diese Aufspaltung der wettinischen Dynastie in zwei Linien hatte sich im Jahr 1485 durch die Unterzeichnung eines Teilungsvertrags in Leipzig (Leipziger Teilung) ereignet. Darin waren die Brüder übereingekommen, ihre Ländereien untereinander aufzuteilen. Als Älterem gebührte Ernst das mit der Kurwürde verbundene Herzogtum Sachsen-Wittenberg. Aber es wurde auch beschlossen, einen Teil des väterlichen Erbes weiterhin gemeinsam zu verwalten. Ein halbes Jahrhundert später hatten nun die Vettern Moritz und Johann Friedrich die Positionen jener Brüder eingenommen. Der fünfzehnjährige Moritz war für drei Jahre von seinen Eltern zur Erziehung in die Obhut seines 18 Jahre älteren Vetters Johann Friedrich in dessen Residenz nach Torgau gegeben worden, der ihm (seitdem?) verhasst war. Nur ein Jahr, nachdem der zwanzigjährige Moritz seinem Vater, nach dessen Tod im August 1541, im Amt des Herzogs von Sachsen nachfolgte, kam es fast zum bewaffneten Konflikt zwischen beiden Vettern, der nur durch die Intervention Martin Luthers sowie die von Moritz‘ Schwiegervater Philipp von Hessen noch einmal abgewendet werden konnte. In dieser sogenannten „Wurzener Fehde“ gerieten die Vettern über das gemeinsam verwaltete Wurzener Stift in Streit. Johann Friedrich hatte dort einseitig eine „Türkensteuer“ erhoben, als Beitrag zur Finanzierung des Kampfes gegen die Osmanen („Türkengefahr“). Genauso wie dieser Schritt mit dem Vetter hätte abgesprochen werden müssen, so auch Johann Friedrichs Versuche, im Wurzener Stift die Reformation einzuführen. Moritz fühlte sich übergangen. Da Wurzen die Steuer nicht zahlen wollte, ließ Johann Friedrich etwa zehn Dutzend Mann der Torgauer Geharnischten Kompanie – die Hälfte davon beritten – nach Wurzen ausrücken, um die Steuer einzutreiben. An diesem Punkt schritt Moritz nun ein und sandte den Torgauer Mannen eine eigene Streitmacht entgegen. Der Streit wurde unblutig beendet, doch konnte hier jedermann sehen, dass nicht viel fehlte, um die Vettern gegeneinander ins Feld zu schicken. Während nun Johann Friedrich ein eifriger Verfechter und Verbreiter des Protestantismus war, stand es um seinen Vetter Moritz etwas anders. Der hatte zu berücksichtigen, dass der Bruder Karls V., Ferdinand als König von Böhmen und Stellvertreter des Kaisers sein unmittelbarer Nachbar war. Seine Räte legten ihm daher nahe, sich mit ihm gut zu stellen. So betrieb der Protestant Moritz eine doppelgleisige Politik. Er beteiligte sich einerseits an den Feldzügen Karls V. gegen Türken und Franzosen und konfiszierte andererseits katholisches Kirchengut, womit er sich enorm bereicherte, wovon er aber auch die Fürstenschulen Schulpforta bei Bad Kösen, Sankt Afra in Meißen und Sankt Augustin in Grimma stiftete. Während Johann Friedrich Mitglied im Schmalkaldischen Bund war und im Schmalkaldischen Krieg an seiner Spitze stand, hielt sich Moritz aus seiner Antipathie gegen Johann Friedrich heraus von dem Bund fern. Eben jene Zerwürfnisse im evangelischen Lager waren es, die den Kaiser auf die Idee brachten, Moritz mit der Vollstreckung einer Reichsacht zu beauftragen, die er 1546 gegen Moritz‘ ungeliebten Vetter Johann Friedrich verhängt hatte, weil ihm dessen energische Beharrlichkeit bei der Einführung des evangelischen Glaubens zu weit ging. Moritz muss angesichts dieses Auftrags hin- und hergerissen gewesen sein zwischen seiner Loyalität zur evangelischen Sache und der sich eröffnenden Möglichkeit, den Vetter zu schwächen oder gar aus dem Weg zu räumen. Zudem hegte Moritz die Hoffnung, nach erfolgreicher Vollstreckung der Acht, vom Kaiser die Kurwürde Johann Friedrichs übertragen zu bekommen. Doch die Sache hatte noch einen weiteren Haken. Ein Angriff auf Johann Friedrich würde mit hoher Wahrscheinlichkeit dessen Verbündete aus dem Schmalkaldischen Bund auf den Plan rufen, darunter auch Moritz‘ Freund und Schwiegervater Philipp I., Landgraf von Hessen und zugleich Hauptmann des Bundes. Das Für und Wider abwägend, zögerte Moritz lange, fast zu lange, denn Ferdinand, der Bruder des Kaisers, machte inzwischen Anstalten, selbst mit einem Heer gegen Johann Friedrich zu ziehen. Dies musste Moritz verhindern, wollte er nicht die Initiative oder gar die Kontrolle über die Ereignisse verlieren. Also zog er gegen seinen Vetter und besetzte Kursachsen nahezu kampflos. Doch dann wurde er von den Truppen des Schmalkaldischen Bundes gen Böhmen abgedrängt, wo jedoch die Truppen Ferdinands und des Kaisers zu ihm stießen und den Schmalkaldischen Bund am 24. April 1547 endgültig besiegten. Johann Friedrich wurde von den Truppen des Kaisers gefangen genommen. Um seiner Enthauptung zu entgehen, verzichtete er in der „Wittenberger Kapitulation“ zugunsten von Moritz auf seine Kurfürstenwürde und die Gebiete östlich der Saale, die einen Großteil seines Territoriums ausmachten. Doch auch Philipp I. geriet in kaiserliche Gefangenschaft und war somit dem Einfluss seines Schwiegersohnes Moritz entzogen. Moritz versicherte ihm zwar, dass er nicht eingekerkert werde, wenn er sich dem Kaiser ergäbe. Er wurde jedoch in Haft genommen und später außer Landes gebracht, obwohl er den Rat seines Schwiegersohnes beherzigte und sich vor Karl V. auf die Knie geworfen hatte. Der Verrat an der evangelischen Sache und am eigenen Schwiegervater trug Moritz im Volk zunächst die Beschimpfung als Judas ein. Zugleich war Moritz aber vom Kaiser enttäuscht, da er sich von ihm eine Verschonung seines Schwiegervaters erhofft hatte. Diese Enttäuschung sollte schwerwiegende Konsequenzen für die spätere Politik Moritz‘ gegenüber dem Kaiser haben. An dieser Stelle soll wieder an das bereits weiter oben erwähnte Augsburger Interim angeknüpft werden. Sowohl bei den Katholiken als auch natürlich bei den Evangelischen stieß diese Zwischenkonfession auf Ablehnung. Es sollten noch fast genau drei Jahre vergehen, bis sich wieder protestantische Fürsten insgeheim gegen den Kaiser verbündeten, ungeachtet der Niederlage, die dem Vorgängerbündnis „Schmalkaldischer Bund“ zugefügt worden war. Der Kaiser, der wohl annahm, dass Moritz durch den Erhalt der Kurwürde und den Gewinn einer beträchtlichen Menge Territoriums absolut loyal sein würde, beauftragte ihn abermals mit der Vollstreckung einer Reichsacht. Diesmal sollte er die 1547 gegen Magdeburg verhängte Reichsacht vollstrecken. Magdeburg sollte bestraft werden, weil es sich nicht dem Augsburger Interim nicht beugen wollte. Moritz schien diesem Auftrag zunächst nachzukommen, indem er gegen Magdeburg zog und dort auch am 9. September 1551 als Reichsfeldherr einmarschierte. Doch er hatte in Wirklichkeit aus Enttäuschung über Karl V. längst die Seiten gewechselt und sich 1551 im Vertrag von Torgau mit der Domstadt und den anderen Gegnern des Kaisers im Fürstenbund verbündet. Im Einzelnen waren dies: Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin, Albrecht von Brandenburg-Kulmbach, der Landgraf Wilhelm von Hessen sowie der Markgraf Albrecht von Brandenburg-Preußen. Zudem erkor man Frankreich zum Verbündeten, das aufgrund des bereits weiter oben erwähnten habsburgisch-französische Gegensatzes um die Vorherrschaft in Europa ein Interesse daran hatte, Karl V. zu schaden. Das Bündnis mit dem französischen König Heinrich II. (Henri II) wurde 1551 in Lochau bei Torgau geschlossen. Im Herbst des gleichen Jahres erklärte Frankreich dann dem Kaiser den Krieg und stieß bis zum Rhein vor. Im Januar 1552 sicherte Frankreich im Vertrag von Chambord den protestantischen Fürsten zusätzlich Hilfsgelder und Waffenhilfe zu. Diese versprachen im Gegenzug, Frankreich die grenznahen Bistümer Metz, Toul, Verdun und Cambrai zu überlassen. Neben der Verteidigung des Protestantismus planten die deutschen Fürsten auch die Befreiung des Landgrafen Philipp von Hessen. Die Truppen der Protestanten eroberten rasch die süddeutschen kaisertreuen Städte und drangen im März 1552 bis Tirol vor. Die katholischen Reichsstände verhielten sich dabei betont neutral, da auch sie kein Interesse an einer zu starken Machtausdehnung des Kaisers hatten. Nur knapp entging Karl V. seiner Gefangennahme in der kaiserlichen Residenz Innsbruck. Er floh über die Alpen nach Villach in Kärnten, um neue Truppen zu sammeln. Doch währenddessen kam es in Linz bereits zu Verhandlungen zwischen den protestantischen Fürsten unter Moritz von Sachsen mit Karls Bruder Ferdinand, dem König von Böhmen, die später in Passau fortgesetzt und deren Ergebnisse dort auch am 2. August 1552 vertraglich fixiert wurden. Daher ist die Rede vom Passauer Vertrag. Dieser beinhaltete im Wesentlichen Folgendes: 1. Aufhebung des Augsburger Interims (die Erfolge Kaiser Karls V. im Schmalkaldischen Krieg wurden somit zunichte gemacht) 2. die Forderung nach einem dauernden Religionsfrieden 3. die Freilassung Johann Friedrichs von Sachsen sowie Philipps von Hessen. Moritz hatte sich also für seinen Verrat am Protestantismus nunmehr durch seine vom Passauer Vertrag gekrönten Kampf in den Augen der Protestanten rehabilitiert. Sein Schwiegervater und Freund war wieder auf freiem Fuß, ebenso sein ungeliebter Vetter, wenngleich in keiner Weise mehr ebenbürtig. Denn der territoriale Gewinn und die Kurfürstenwürde verblieben bei Moritz. Viel Zeit verblieb Moritz jedoch nicht, um diese weltlichen Güter zu genießen. Ein Jahr nach dem Passauer Vertrag erlag er in der Schlacht bei Sievershausen bei Lehrte in der Nähe von Hannover im Alter von 32 Jahren einer Schussverletzung im Unterleib. Der Passauer Vetrag stellte die formale Anerkennung des Protestantismus dar, die drei Jahre später, am 25. September 1555 im Augsburger Reichs- und Religionsfrieden reichsrechtlich festgeschrieben wurde. Darin wurde den Reichsständen und den Reichsrittern das Recht garantiert, sich einer der beiden Konfessionen anzuschließen und ihren Untertanen, die dem Religionsbann unterstanden, die Annahme des gleichen Bekenntnisses vorzuschreiben. Dieses Recht wurde später von dem Greifswalder Kanonisten J. Stephani (1544-1623) in eine knappe Formel gefasst: „Cuius regio, eius religio.“ Den nicht leibeigenen Untertanen eines weltlichen Fürsten, die diesem nicht in dessen Bekenntnis folgen wollten, gewährleistete der Augsburger Religionsfrieden das Recht des freien Abzugs in konfessionsverwandte Territorien (Auswanderungsfreiheit bzw. Jus emigrationis). Dieses Recht kam jedoch in der Praxis einer obrigkeitlichen Ausweisungsbefugnis näher. Nicht eingeschlossen in den Religionsfrieden waren übrigens die Anhänger Zwinglis, Calvins, die Täufer sowie andere. Der Augsburger Religionsfriede besiegelte die konfessionelle Spaltung, indem er das Bekenntnis an das Territorium band, sicherte aber dem Reich als Überbau Einheit und Frieden. Die Untertanen gewannen durch den Religionsfrieden also eigentlich keine Freiheit. Ganz anders die Fürsten, die nun die Freiheit hatten, ihre Religion zu wählen. Somit wurde ein Sieg der Territorialherren über das Reich errungen, der Sieg der fürstlichen „Libertät“ über die Zentralgewalt, der Sieg über die Idee des universalen christlichen Kaisertums. Der gleichzeitig vereinbarte allgemeine Landfrieden sicherte dem Reich zunächst einen inneren Frieden. Es sollten 63 Jahre ins Land gehen, bis sich mit dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1618 die religiösen aber eben auch hegemonialen Gegensätze aufs Neue in großer Heftigkeit und Grausamkeit entluden. Dies führt nun wieder zu Gustav Adolf. Wie beschrieben kamen seine Truppen zu spät, um die Zerstörung Magdeburgs zu verhindern. Doch auf dennördlich von Leipzig gelegenen Feldern zwischen den Dörfern Breitenfeld, Podelwitz und Wiederitzsch trafen am 17. September 1631 das 45.000 Mann starke vereinigte schwedisch-finnisch-sächsische Heer unter Gustav Adolf und das 35.000 Mann zählende kaiserliche Heer unter Tilly aufeinander. Die bis dahin unbesiegte kaiserliche Armee erlitt dabei eine vernichtende Niederlage. Während Tilly den Nimbus der Unbesiegbarkeit verlor, erwarb sich Gustav Adolf den Ruf als Retter des deutschen Protestantismus. Die Schlacht bei Breitenfeld wurde so zu einem Wendepunkt im Dreißigjährigen Krieg. Die Reihe der Siege der katholischen Liga war durchbrochen. Mitteldeutschland blieb den Schweden überlassen. Tilly gelang es auch nicht, den nun folgenden Vormarsch der Schweden in Richtung Süddeutschland aufzuhalten. Er zog sich nach Ingolstadt zurück, um Bayern zu decken. Die Schweden nahmen Nürnberg ein, ebenso Donauwörth, um daraufhin auch Ingolstadt zu erobern. In der Schlacht bei Rain am Lech wurde Tilly tödlich verwundet. Daraufhin fiel Gustav Adolf in Bayern ein und eroberte Augsburg und sogar München. Nun stand noch der vom Schwedenkönig konzipierte Entscheidungsfeldzug gegen Wien bevor. Unter dem Eindruck der Niederlagen ernannte der Kaiser den zuvor in Ungnaden gefallenen Wallenstein wieder zum Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee. Diesem gelang es, die Schweden und deren Verbündete zum Rückzug zu zwingen. Bei Nürnberg lagen sich beide Heere in gesicherten und verstärkten Lagern gegenüber. Der folgende zweimonatige Stellungskrieg richtete in der Region um Nürnberg starke Verwüstungen an und löste in der durch Flüchtlinge und Soldaten überfüllten Stadt durch Hunger und Seuchen ein Massensterben aus. Von den zermürbenden und blutigen Gefechten geschwächt, räumten die Schweden das Feld und zogen sich wieder gen Norden zurück, wo es zu Gustav Adolfs letzter Schlacht kommen sollte, auf die an anderer Stelle gesondert eingegangen werden soll. Das oben abgebildete Denkmal wurde 1831 anlässlich des 200. Jahrestages der Schlacht bei Breitenfeld errichtet. Die Inschrift stammt vom Stadtgerichtsrat Heimbach aus Leipzig.
Literatur:
- Berner, Felix: Gustav Adolf – Der Löwe aus Mitternacht. Stuttgart, 1982.
- Der große Ploetz – Die Daten-Enzyklopädie der Weltgeschichte. Daten, Fakten, Zusammenhänge. Freiburg im Breisgau, 1998 (32. Auflage).
- Fuchs, Konrad und Heribert Raab. Wörterbuch Geschichte. München, 2002 (13. Auflage).
- Wiwjorra, Ingo: „Ex oriente lux“ – „Ex septentrione lux“. Über den Widerstreit zweier Identitätsmythen. In: Achim Leube / Morton Hegewisch (Hrsg.): Prähistorie und Nationalsozialismus. Die mittel- und osteuropäische Ur- und Frühgeschichtsforschung in den Jahren 1933-1945. Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 2 (Heidelberg 2002) 73-106.
- Gedicht, wie es im Informationsschaukasten am Denkmal abgedruckt ist, Verfasser unbekannt.
- Das Schlagwort ex septentrione lux (aus dem Norden [kommt] das Licht) geht ursprünglich auf das Eingreifen Gustav Adolfs in den Dreißigjährigen Krieg und die somit erfolgte Rettung der protestantischen Sache zurück. Wieder aufgenommen wurde der Ausspruch während der Völkerschlacht im Jahr 1813, als die Schweden dem Bund gegen Napoleon beitraten (so z.B. in einer Gedichtzeile Theodor Körners: Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht). Erst später wurde das Schlagwort in national gesinnten Kreisen nord-, ost- und mitteleuropäischer Länder als gezielte Infragestellung der bis dahin vorherrschenden These ex oriente lux benutzt. Der Meinung dieser Anhänger völkischen Denkens zufolge habe der Ursprung aller Kultur in Nordeuropa und Germanien gelegen und sich dann nach Süden hin ausgebreitet. Trotz intensiver Anstrengungen vor allem in den 1920er Jahren gelang es völkischen Forschern nie, überzeugende Beweise für diese archäologisch unhaltbare Theorie zu finden. Vetreterin dieser „Ariosophie“ war u.a. die berüchtigte Thule-Gesellschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind sowohl Nachdrucke entsprechender älterer Arbeiten, besonders aus der Zeit des „Dritten Reiches“, als auch neuere Arbeiten in erster Linie in Verlagen aus dem rechtsextremen Spektrum erschienen. In ihnen wird die angeblich kulturbringende Sendung „nordischer“ bzw. „germanischer“ Völker bereits in der Ur- und Frühgeschichte gegenüber den antiken Hochkulturen (beispielsweise der Griechen, Philister, Phönizier und Ägypter) betont und damit deren Überlegenheit bzw. die Abstammung von ersteren. Zu den bekanntesten Verfechtern von Ex septentrione lux wird Jürgen Spanuth gezählt, der 1953 in seiner Veröffentlichung Das enträtselte Atlantis das untergegangene Atlantis in der Nordsee lokalisierte und eine bronzezeitliche Einwanderung nordeuropäischer Völker in den Mittelmeerraum postulierte. Als früher Vertreter des Nordismuswird hier der Schwede Olof Rudbeck d.Ä. (1630-1702) beansprucht, der Atlantis in Uppsala platziert hatte.